In den vergangenen Wochen der Corona-Pandemie waren viele Menschen gezwungen, sehr viel Zeit in ihren eigenen vier Wänden zu verbringen. Die Sorge, dass es dadurch in einzelnen Familien zu häuslicher Gewalt kommen könnte, war berechtigt. Denn das Ergebnis einer ersten Studie, die von der Technischen Universität München und dem RWI-Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung durchgeführt wurde, bestätigt, dass die häusliche Gewalt an Frauen und Kindern messbar zugenommen hat.
Etwa 3.800 Frauen im Alter von 16 bis 65 Jahren wurden ausgewählt, weil sie bezüglich Alter, Bildungsstand, Einkommen, Haushaltsgröße und Wohnort einen guten Querschnitt durch die Gesellschaft hierzulande bildeten. Die Ergebnisse seien daher repräsentativ für Deutschland. Auch mithilfe indirekter Fragemethoden, um die Befragten nicht in unangenehme Situationen bringen zu müssen, wurden Angaben zu möglicher häuslicher Gewalt in den stark kontaktbeschränkten Wochen gesammelt und ausgewertet.
Im Ergebnis zeigte sich, dass 3,1 % der Frauen mindestens einmal in dieser Zeit körperliche Gewalt durch ihre Männer erfuhren, beispielsweise in Form von Schlägen. Bei den Kindern liegt dieser traurige Wert sogar bei 6,5 %. 3,6 % der Frauen wurde zum Geschlechtsverkehr gezwungen. Auf emotionaler Ebene fühlten sich 3,8 % von ihnen belästigt, insbesondere durch Verbote, das Haus zu verlassen oder alternative soziale Medien zu nutzen.
Je größer die finanziellen Sorgen der betroffenen Familien, desto mehr stiegen die Werte zur häuslichen Gewalt an. Lag eine akute finanzielle Not vor, so beklagten 8,4 % der Frauen körperliche Gewalt und gaben bezüglich der Gewalt gegen Kinder sogar einen Wert von durchschnittlich fast 10 % an. Sofern Kurzarbeit in den Familien anstand oder die Kinder jünger waren (unter 10 Jahren), ermittelten die Wissenschaftler ebenfalls höhere Betroffenenzahlen zur häuslichen Gewalt. Die höchsten Zahlen zeigten sich bei Familien, die sich in ausgesprochener Quarantäne befanden.
Nur eine geringe Anzahl der betroffenen Frauen und Kinder suchten sich in ihrer Situation Hilfe. Vor diesem Hintergrund empfehlen die Studienverantwortlichen, frühzeitig spezielle Betreuungshilfen, unter anderem auch Online-Angebote, anzubieten, auf die Frauen im Falle einer weiteren Pandemie-Welle problemlos zugreifen können, um sich in einer möglichen prekären häuslichen Situation Hilfe holen zu können. In den vergangenen Wochen hatten sich lediglich etwa 4 % der betroffenen Frauen bei der Telefonseelsorge gemeldet, 21 % nutzen das Elterntelefon und nur 2 % nutzen Hilfsangebote der Apotheken.
Steinerst, J. et al.
Gewalt an Frauen und Kindern in Deutschland
während COVID-19-bedingten Ausgangsbeschränkungen
Veröffentlichung, Hochschule für Politik München
6/2020